Lerntrends

Einige Gedanken über das individualisierte Lernen

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individualisierte Lernen

Wie der Name schon sagt, handelt es sich beim individualisierten Lernen um Programme, die an die Anforderungen, Lernmethoden und Wünsche der Lernenden angepasst sind. Die entsprechende Frage lautet: Was und wie möchte der Teilnehmer lernen? Bei der Individualisierung liegt der Schwerpunkt auf dem grundsätzlichen Wunsch des Menschen, Spaß bei seiner jeweiligen Tätigkeit zu haben.

Das individualisierte Lernen umfasst Elemente des integrierten Lernens. Wir alle haben unsere bevorzugten Methoden, Informationen zu sammeln, und wir verfügen auch über Rückfallstrategien für den Fall, dass diese Methoden nicht funktionieren oder nicht verfügbar sind. Wenn ich von mir selbst ausgehe, dann zählen zu den Lern- und Unterhaltungsoptionen auf oder in der Nähe meines Schreibtisches Medien wie der Computer, mein Smartphone, der Fernseher, Musik-DVDs, mein Radio und Papierbücher in Bücherregalen. Zusätzlich habe ich noch Netflix-by- Mail-DVDs und einige anderen Streamingdienste. Weiterhin kann ich bestimmte Medien vom Schreibtisch aus finden: Beispielsweise kann ich mit dem Computer nach einem Buch in der Bibliothek suchen und mich dann persönlich dorthin begeben. Auf dem Weg kann ich mein Smartphone verwenden. Auch wäre es möglich, während meiner Internetrecherchen das Fernsehgerät einzuschalten. Es kann also vorkommen, dass verschiedene Medien parallel verwendet werden.

Bei meinen Recherchen zählen E-Mail, SMS und Telefongespräche zu den leicht zugänglichen Optionen. Auch können diese Methoden miteinander kombiniert werden. So kann ich dem Beispiel zunächst eine E-Mail senden und dann telefonisch nachhaken.

„Am besten sofort“ – diese Devise gilt zwar fast immer, aber es ist trotzdem nicht immer möglich, alles sofort zu erledigen.

Das ideale Medium kann vom Lernenden je nach Bedarf verwendet werden. Individualisierung bedeutet in Wahrheit, dem Benutzer die Kontrolle zu geben. Und was vielleicht wichtiger ist: Durch die Individualisierung bekommt der Benutzer das Gefühl, die Kontrolle zu besitzen. Ich kann an meinem Schreibtisch selbst entscheiden, nach welchen Informationen ich suche, welche Medien ich für diese Recherche einsetze, oder ob ich mich nicht lieber ausruhen möchte. Doch an meinem Schreibtisch zeigen sich auch die Grenzen bzw. sogar Probleme der Individualisierung.

Auf der Arbeit wird das individualisierte Lernen in einem vom Management vorgegebenen Kontext geschehen. Nehmen wir uns noch einmal den vorliegenden Artikel vor, in dem ich über das individualisierte Lernen schreiben soll. Da das Thema vorgegeben ist, kann ich also nicht über den Golfkrieg von 1991 referieren. Außerdem muss ich den Artikel per E-Mail einreichen, weswegen ich ihn nicht von Hand schreiben kann. Ich könnte ihn im PDF-Format abgeben, aber dann könnte er nicht mehr auf einfache Weise bearbeitet werden. Wenn ich am heutigen Feiertag eine E-Mail ins Büro oder in die Bibliothek schicke, wird sie voraussichtlich nicht vor morgen beantwortet. Da das Büro geschlossen ist, kann ich per Skype niemanden erreichen. Ein echter Brief auf Papier würde – zumindest wegen seiner Ungewöhnlichkeit – einen guten Eindruck machen, aber wahrscheinlich bräuchte die Post ein paar Tage, um ihn auszuliefern. Wenn es sich bei diesem Artikel um die Rezension eines Buchs über individualisiertes Lernen handelte, müsste meine erste Recherchequelle das Buch sein, um das es geht. Auch meine potenziellen Mitarbeiter könnten auf diese Art von Problemen stoßen. Vielleicht gibt es einen Schneesturm, wegen dessen die Bibliotheken geschlossen und die öffentlichen Verkehrsmittel eingestellt werden. Zumindest würde es der Schneesturm meinen Mitarbeitern erschweren, zur Bibliothek zu fahren. Und wenn es durch den Sturm auch noch zu einem Stromausfall käme, würde mein PC nur noch über etwa drei Stunden Akkulaufzeit verfügen, mein Smartphone vielleicht noch über zwölf Stunden. Und dabei ist jetzt noch nicht einmal berücksichtigt, dass bei einem Stromausfall auch die Beleuchtung ausfallen würde.

Für eine formale Trainingssitzung reichen vielleicht die verfügbaren Quellen nicht aus. Fernkurse bieten zwar Vorteile, ihr Nachteil ist jedoch, dass auf persönliche Treffen verzichtet werden muss. Dies wird durch elektronische Medien nur teilweise ausgeglichen. Möglicherweise ist der Lehrer persönlich oder über Kommunikationsmedien nur eingeschränkt verfügbar, und der Lernende muss sich daran anpassen.

Die freie Auswahl beim individualisierten Lernen kann höchstwahrscheinlich auch durch „den Chef“ beschränkt.  Vielleicht möchte oder kann dieser in bestimmte Verfahren und Themen kein Geld investieren. Dies dürfte insbesondere bei neuen Programmen der Fall sein, die auf der grünen Wiese entwickelt werden. Das Management wünscht sich vielleicht, dass die Mitarbeiter neue Qualifikationen erlangen – ähnlich einem Upgrade der Computer und Mobilgeräte. Betriebssysteme, Computer und Smartphones sind sich vergleichsweise ähnlich. Innerhalb derselben Gattung ist sich die Hardware noch ähnlicher. Es kann aber dennoch auf die kleinen Unterschiede ankommen. Zum Beispiel wird mit einer bestimmten Tastenkombination in einer Textverarbeitungs-App vielleicht Text gesperrt, in einer anderen App hingegen gelöscht. Zum Glück gibt es in beiden Systemen die Schaltfläche „Rückgängig“.

Aber wie kann das Lernen nun individualisiert werden?

Hierfür müssen Sie sich wie immer zunächst einige Fragen stellen: Weshalb sollen die Mitarbeiter lernen? Was sind Ihre Ziele? Was sind die Lernziele? Gibt es endgültige Lernziele, mit denen das allgemeine Ziel erreicht wird? Gibt es Zwischenziele, anhand derer sich der Fortschritt messen lässt?

Das Management muss dazu in der Lage sein zu formulieren, was geschafft werden soll und wie festgestellt wird, wann die Ziele erreicht wurden. Auch dann, wenn das Ziel nur in der Umgestaltung oder Erweiterung des Trainings besteht, muss es ein Verfahren geben, die Zielerreichung zu messen.

Welche Ressourcen sind bei Ihnen im Haus verfügbar? Diese Ressourcen umfassen die für das Training zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und die im Haus vorhandenen Medien. Zu den Problemen in diesem Zusammenhang zählt die Frage, ob die meisten Ihrer Mitarbeiter über Smartphones verfügen und falls ja, über welche. Die Lernprogramme können so angepasst werden, dass sie auf Computern und Smartphones laufen können(siehe hierzu unseren Artikel „Learning-Hack“). Es ist nicht gerade billig, alle Mitarbeiter mit demselben Smartphone-Typ auszustatten.

Was nicht schon bereits im Unternehmen vorhanden ist, muss besorgt werden. Informieren Sie sich über die Verfügbarkeit im Handel und darüber, was eventuell selbst produziert werden muss. Beispielsweise wird es Sie deutlich weniger kosten, ein Buch über individualisiertes Training einzukaufen, als ein solches Buch von jemandem schreiben zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn Sie wirklich allen Mitarbeitern dieses Buch zur Verfügung stellen möchten.

Sie passen ein Programm oder Programmsystem so an, dass es allen Mitarbeitern so viel Auswahl wie möglich bieten soll. Denken Sie dabei also auch daran, die Mitarbeiter nach ihren Wünschen zu fragen. Konsultieren Sie auch die Mitarbeiterbewertungen des letzten Trainings. Fragen Sie, welche Themen und Verfahren im nächsten Training behandelt werden sollen. Sie erhalten mehr Antworten, wenn die Teilnahme an Ihrer Umfrage obligatorisch ist oder Sie die Mitarbeiter mindestens daran erinnern, dass Wünsche nur dann umgesetzt werden können, wenn sie bekannt sind. Wenn das Programm läuft, sollten Sie natürlich auch Feedback verlangen, auf dessen Grundlage sie das Lernprogramm oder die App für die nächsten Teilnehmer verbessern können.

Die beste Learning-Umgebung lässt sich immer erzielen, wenn sie von den Benutzern gestaltet und durch den Input des Managements ergänzt wird.

Das Erfolgsrezept hinter dem individualisierten Lernen bzw. der Individualisierung ist es, den Mitarbeitern eine möglichst große Auswahl zu bieten und so ihre Verbundenheit mit dem Programm und dem eigentlichen Lernen zu stärken. Wer sich beim Lernen selbst anleitet, lernt mehr.